Wann starb Jesus?

Die einfache Antwort lautet: Am Karfreitag. Doch damit sind die meisten Theologen nicht zufrieden. Sie sehen in den Evangelien verschiedene Angaben dazu.

Matthäus, Markus und Lukas werden Synoptiker (Zusammenschauer) genannt, weil sie viele Erzählungen von den Taten Jesu gemeinsam haben. Zum Unterschied von Johannes, der viel von den Reden Jesu bringt.

Die Synoptiker erzählen nun übereinstimmend, dass Jesus am Tag nach seiner Passahfeier gekreuzigt wurde. Johannes aber berichtet (Kap. 18, 28), dass die Juden bei der Gerichtsverhandlung gegen Jesus das Haus des Pilatus nicht betraten, damit sie nicht unrein würden. Sie hätten dann am Abend nicht mehr an der Passahfeier teilnehmen können.

Bei Johannes starb also Jesus am Tag des Passahmahles, bei den Synoptikern am Tag danach.

Das führt bei vielen Theologen zu der Schlussfolgerung: Eine von den beiden Angaben muss falsch sein.

Ein weiterer Schluss: Nachdem ein Bibelvers offensichtlich falsch ist, kann das bei anderen Versen auch der Fall sein!

Ergebnis: Jeder Theologe sucht sich u. U. heraus, welche Verse seiner Ansicht nach echt sind und weiche falsch. Man fragt nicht mehr, was Gott sagen wollte, sondern was der menschliche Verfasser ausdrücken wollte. Aus Gottes Wort wird Menschenwort.

Mit Johannes geht man dabei z. T. noch schonend um. Er habe nicht historisch berichten wollen, sondern eine theologische Wahrheit aufzeigen: Jesus starb zu gleicher Zeit, als im Tempel die Lämmer für die abendliche Passahfeier geschlachtet wurden. Er war also das wahre Passahlamm (l. Kor. 5, 7).


Wie war nun der Verlauf?

Nach 4. Mose 9, 23 musste jeder Jude am Passah teilnehmen. Die Passahlämmer wurden im Tempel von Jerusalem geschlachtet.

Der jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus berichtet für die Zeit Neros von 256 500 Opfertieren. Bei einer so hohen Anzahl von Schlachtungen fiel für die Priester eine solche Arbeitsmenge an, dass sie nicht an einem Tag bewältigt werden konnte. Dazu kam, dass das Blut bei der Schlachtung besonders behandelt wurde (2. Chron. 35, 11); Blut durfte nicht gegessen werden (3. Mose 7, 26). So begann, wohl besonders für Auswärtige, das Schlachten der Passahlämmer schon am Tag vorher. Damit konnte Jesus mit seinen Jüngern schon am Abend vor der allgemeinen Passahfeier seine Passahmahlzeit halten.

Alles Sauerteig Enthaltende (das normale Brot) wurde schon vor der Passahfeier aus den jüdischen Wohnungen entfernt, so dass schon der Tag vorher ein Tag der »ungesäuerten Brote« war (Matth. 26, 17).

Das Passahfest war ein Doppelfest. Unmittelbar nach dem Passahabend begann das siebentägige Fest der ungesäuerten Brote (3. Mose 23, 5 und 6); für den ersten Tag bestand Arbeitsverbot (23, 7), es war ein Ruhetag, ein »Sabbat.

Das Datum des Passahfestes, der 14. Nisan (3. Mose 23, 5; Esther 3, 7) kann auf jeden Wochentag fallen, so wie bei uns der 25. Dezember.

Im Todesjahr Jesu fiel der 15. Nisan, der Ruhetag, auf einen Sabbat, es war ein Sabbat in doppeltem Sinn, deswegen wird er Johannes 19, 31 »großer Sabbat« genannt. Demnach Wurde Jesus am 14. Nisan gekreuzigt.

Dass es der Tag vor dem Sabbat war, wird von allen vier Evangelisten bezeugt. (Matth. 27, 62; Mark. 15, 42; Luk. 23, 54; Joh. 19, 42). An diesem Rüsttag herrschte noch kein Arbeitsverbot wie am Festtag danach.

Hätte Jesus seine Passahmahlzeit am Tag der allgemeinen Passahfeier gehalten, wäre der darauffolgende Tag der arbeitsfreie Festtag gewesen und Josef von Arimathia hätte keine Leinwand kaufen können (Mark. 15, 46), dIe Frauen keine Gewürze bereiten (Luk. 23, 56), Nikodemus keine 100 Pfund Myrrhe bringen (Joh. 119, 39) und Josef den Stein nicht vor das Grab wälzen können (Matth. 27, 60).

Jesus starb am Freitag, den 14. Nisan des Jahres 30. In diesem Jahr fiel der erste Tag des Festes der ungesäuerten Brote auf einen Sabbat.

Das ist das gemeinsame Ergebnis aller Evangelisten.


Erwin Drittler